Gegend by Nora Bossong

Gegend by Nora Bossong

Autor:Nora Bossong [Bossong, Nora]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Frankfurter Verlagsanstalt
veröffentlicht: 2013-09-16T00:00:00+00:00


IV

Draußen schien die Sonne. Marie sagte: 'Das hat nichts zu bedeuten.'

Jakob war hinter uns zurückgeblieben, ich hatte das Gefühl, daß er uns mit seinem Blick wie Hunde an das Haus leinte. Er ließ uns Auslauf, aber die Schritte, die wir uns vom Haus entfernen konnten, waren begrenzt. Nur Jakob wußte, wie weit wir kommen würden und ob wir damit den Vater erreichten. Ich blieb stehen. Ich wollte meine Schritte nicht aufbrauchen. Ich wollte nicht spüren, wie er uns mit dem letzten Schritt in der Gewalt hatte. Genausowenig wie ich spüren wollte, daß es nur meine Einbildung war und er mit seinem Blick nichts anderes tat, als unsere Rücken zu vergleichen.

'Wir können eh nichts machen', sagte ich. 'Was weiß ich, wo der Vater hin ist.'

'Mädchen, was redest du', sagte Jakob.

'Warum soll ich irgendwas wissen?' fragte ich. 'Warum glaubt ihr nur euch, wenn ihr sagt, daß ihr nichts wißt?'

'Ich glaube hier schon lange niemandem mehr', sagte Jakob. 'Und wenn, dann höre ich auf Marie. Oder willst du auch nichts wissen? Kannst du ohne deinen Vater jetzt auch nichts mehr sagen?' Er scharrte mit dem Fuß auf dem Boden. 'Wer weiß, vielleicht hältst du es ohne ihn gar nicht aus, Marie. Vielleicht fühlst du dich hier unwohl ohne ihn.'

'Hör auf', sagte sie.

'Habe ich also recht, Mariechen?'

'Mir wird übel, wenn du so redest. Verstehst du? Einfach speiübel.'

'Aber das wolltest du doch, meine Kleine. Ein bißchen Abwechslung.'

'Verdammt, Jakob, du redest, als wärst du übergeschnappt.'

'Tue ich das?' fragte er.

Ich sah zum Kupferdraht hinauf, auf dem ein Star saß, und schüttelte den Kopf.

'Siehst du, sie ist nicht deiner Meinung, Mariechen', sagte er. Als er hinter sich die Haustür zuwarf, breitete der Star seine Flügel aus, schlug sie gegen den Luftwiderstand und hob ab. Der Kupferdraht sirrte. Marie blickte den Abhang hinunter. Eines der Zelte fehlte: das mit der durchgewetzten Plane.

'Geh ihm doch hinterher', sagte ich zu ihr. 'Ihr haltet zusammen. Wenn es das ist, was du willst.' Sie beachtete mich nicht, sondern ging langsam, fast mechanisch, den Abhang hinunter.

Aus der Ferne hörte ich ein Geräusch, unregelmäßig, so als würden die Trommeln über den abgewetzten Teppich im oberen Stock des Hauses gerollt. Ein Flugzeug schob sich über den Himmel und zog einen Kondensstreifen hinter sich her. Ich streckte die Arme über meinen Kopf und winkte. Zuerst verschwand das Flugzeug wieder aus meiner Sicht und dann hörte ich auch das Rollen nicht mehr. Nur der Kondensstreifen hing noch in der Luft, ein an einer Wolke befestigter weißer Laichstrang. Ich stellte mir vor, daß winzige Fallschirmspringer daraus schlüpfen und auf das Grundstück herabschweben würden. Aber der Streifen löste sich auf, ohne daß etwas geschah.

Vor dem vordersten Zelt beugte sich Marie über Fabian und zupfte etwas aus seinem Haar. Als Fabian bemerkte, daß ich sie beobachtete, machte er sich von Marie los, kam auf mich zu und hielt mir seine Plastikfiguren entgegen. Ich stieß seine Hand zur Seite.

'Laß mich mit deinen Figuren in Ruhe', fuhr ich ihn an. 'Die interessieren mich nicht.



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